Steuerstrafrecht VBR

Verfassungswidrige Doppelbesteuerung der Rente

I. Hintergrund

Im Jahr 2002 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass Renten nachgelagert besteuert werden sollen, was der Gesetzgeber ab 2005 umgesetzt hat. Dabei hatte das Bundesverfassungsgericht auch entschieden, dass es nicht zu einer Doppelbelastung kommen soll, also mindestens der Teil der Rente steuerfrei sein muss, der in der Einzahlungsphase der Rente aus versteuertem Einkommen gezahlt wurde.

II. Berechnung des steuerfreien Teils der Rente nach Auffassung des BFH

Wie Sie etwaig den Medien entnommen haben, hat der Bundesfinanzhof nunmehr eine Reihe von Grundsätzen aufgestellt, wie konkret die verfassungswidrige Doppelbelastung der Rente berechnet wird. Insbesondere hat der Bundesfinanzhof zu Gunsten der Steuerpflichtigen entschieden, dass bei Ermittlung des steuerfreien Teils der Rente der sogenannte Grundfreibetrag außen vor bleibt.

Für die Ermittlung des steuerfreien Teils der künftigen Rente ist die statistische Lebenserwartung bei Rentenbeginn entscheidend. Die bis 2005 geltende Vorsorgepauschale wird quotal entsprechend den Vorsorgeaufwendungen für Rente, Kranken- und Pflegeversicherung der Rentenzahlung zugeordnet, um den Anteil bestimmen zu können, der aus versteuerten Einkommen geleistet wurde. Besonders aufwendig ist, dass laut BFH auch der steuerfreie Bezug einer eventuellen Witwenrente/Witwerrente berücksichtigt werden muss, wenn die statistische Lebenserwartung des Ehepartners länger ist. Falls in diesen Fällen aufgrund hohen Einkommens des Ehegatten keine Witwenrente/Witwerrente zu erwarten ist (z. B. § 97 SGB VI), sollte dies dargelegt werden.

III. Konsequenzen für die PraxisGefahr einer Doppelbelastung

Vorläufige Berechnungen haben ergeben, dass nach den Grundsätzen dieses Urteils bei selbstständig Tätigen ab 2012 die Gefahr einer Doppelbelastung steigt und bei Arbeitnehmern bei einem Rentenbezug ab 2018. Dies ergibt sich daraus, dass der Teil der Rente, der steuerpflichtig ist, ab 2005 jedes Jahr um 2 % steigt und deshalb die Rente abhängig vom Renteneintrittsalter immer höher besteuert wird. Bei selbstständig Tätigen ist die Gefahr einer Doppelbelastung größer, weil selbstständig Tätige in der Regel keinen steuerfreien Arbeitgeberanteil zur Rente erhalten haben, der in der Einzahlungsphase somit steuerfrei war.

IV. Unsere Empfehlung

Wir würden somit empfehlen, bei allen früheren Arbeitnehmern, die ab 2018 Rente beziehen und bei allen selbstständig Tätigen, die ab 2012 Rente beziehen, Einspruch einzulegen. Zur Darlegung des Einspruchs gehört jedoch, dass mindestens der Rentenverlauf (Versicherungsverlauf) dargelegt wird. Den Rentenverlauf erhalten Sie auf Antrag von Ihrer Rentenversicherung. Denn dieser Rentenverlauf ist mindestens erforderlich, um eine Schätzung vornehmen zu können. Ideal wäre natürlich die Vorlage aller Einkommensteuerbescheide während der Einzahlungsphase. Dem Bundesfinanzhof ist natürlich bewusst, dass die wenigsten Steuerpflichtigen seit Beginn ihres Arbeitseinkommens alle Steuerbescheide aufbewahren. Deshalb hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass die Finanzverwaltung, wenn nur eine Rentenmitteilung vorgelegt wird, aber nicht die Einkommensteuerbescheide der gesamten Einzahlungsphase, eine Schätzung vornehmen kann bzw. muss. Die Berechnung einer eventuellen Doppelbelastung ist laut BFH Sache der Finanzverwaltung. Sollten Sie noch über Einkommensteuerbescheide in der Einzahlungsphase verfügen, wäre dies natürlich hilfreich.

Für die Rentner, die vorher Arbeitnehmer waren, und bereits vor 2018 erstmalig Rente beziehen, kann auch Einspruch eingelegt werden, auch wenn die statistische Wahrscheinlichkeit sinkt, dass diese doppelt besteuert werden. Das gilt ebenso für selbstständig Tätige, die vor 2012 erstmalig Rente bezogen haben.

Ein Einspruch sollte zunächst fristwahrend eingelegt werden. Eventuell erfolgen in den kommenden Monaten konkretisierende BMF-Schreiben. Auch eine gesetzliche Regelung in der nächsten Legislaturperiode wird diskutiert.

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Dr. André Gerick

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater, Vereidigter Buchprüfer