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BFH: Steuerfreie Veräußerung des Arbeitszimmeranteils bei Hausverkauf möglich

I. Hintergrund

Die Veräußerung eines selbst genutzten Einfamilienhauses oder einer Eigentumswohnung ist stets steuerfrei. Sofern allerdings vor der Selbstnutzung oder im Zeitpunkt der Veräußerung eine Vermietung der Immobilie erfolgt ist, so setzt die Steuerfreiheit der Veräußerung die Einhaltung der Fristen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sätze 1 und 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) voraus. Insofern ist erforderlich, dass entweder

  • bei einer vermieteten Immobilie seit dem notariellen Kaufvertragsabschluss zur ursprünglichen Anschaffung im Veräußerungszeitpunkt bereits 10 Jahre verstrichen sind, oder
  • die innerhalb der 10-Jahres-Frist veräußerte Immobilie mindestens im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde.

II. Rechtslage bei häuslichem Arbeitszimmer

Unklar war bislang im dem Zusammenhang, ob eine „ausschließliche Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ auch dann vorliegen kann, wenn ein Teil der Privatwohnung als Arbeitszimmer genutzt wird.

a. Auffassung der Finanzverwaltung

Die Finanzverwaltung stand bislang auf dem Standpunkt, dass in derlei Fällen ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn nach Maßgabe des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG vorliege, soweit der insgesamt bei der Veräußerung entstehende Überschuss des Veräußerungspreises über den fiktiven Buchwert („quadratmeteranteilig“) auf das Arbeitszimmer entfällt. Dieser Anteil sei – so die Finanzverwaltung – auch dann vollumfänglich der Besteuerung zu unterwerfen, wenn auf der anderen Seite die anteiligen Kosten für das Arbeitszimmer bislang gar nicht oder (nach § 9 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG) nur gedeckelt auf EUR 1.250 als Werbungskosten angesetzt werden konnten (vgl. dazu BMF-Schreiben, vom 5.10.2000, BStBl. 2000 I S. 1383, Tz. 16 und 21).

b. Richtigstellung durch den Bundesfinanzhof

In Anbetracht dieser zu teilweise fragwürdigen Ergebnissen führenden Regelung ist nun umso mehr zu begrüßen, dass der Bundesfinanzhof (BFH) dieser Verwaltungsauffassung mit seinem Urteil vom 1.3.2021 (Az. IX R 27/19) eine deutliche Absage erteilt hat. Denn nach Auffassung des BFH liegt eine “Nutzung zu eigenen Wohnzwecken” auch hinsichtlich eines häuslichen Arbeitszimmers vor, das sich in der – im Übrigen selbst bewohnten – Immobilie befindet. Dabei kommt es insgesamt nicht darauf an, welchen Anteil das Arbeitszimmer im Verhältnis zur Gesamtwohnfläche einnimmt. Im Ergebnis steht einer steuerfreien Veräußerung des Eigenheims daher nicht (mehr) entgegen, wenn in diesem auch ein Raum als Arbeitszimmer genutzt wurde.

III. Praxishinweise

Zu beachten ist in dem Zusammenhang, dass diese Regelung nicht ohne Weiteres auch auf Arbeitszimmer übertragbar ist, die für eine gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit genutzt werden. Denn aus steuerlicher Sicht wird das Eigenheim in derlei Fällen zu zwei Wirtschaftsgütern: der „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ einerseits und der „Nutzung zu eigenbetrieblichen Zwecken“ andererseits. Weil das Wirtschaftsgut „Arbeitszimmer“ für sich betrachtet naturgemäß zu mindestens 50 % betrieblich genutzt wird, handelt es sich insoweit grundsätzlich um notwendiges Betriebsvermögen, welches (neben dem entsprechenden Teil des Grund und Bodens) zwingend in den Betrieb einzulegen ist. Dementsprechend unterläge das Arbeitszimmer im Veräußerungsfalle nicht der Regelung des § 23 EStG, sondern der entsprechenden Gewinneinkunftsart (§§ 15 oder 18 EStG). Der auf das Arbeitszimmer entfallende Veräußerungsgewinn wäre somit steuerpflichtig, während (nur) der übrige Teil des Eigenheims nach Maßgabe des § 23 EStG steuerbefreit sein könnte.
Zudem ist zu beachten, dass eine Ausnahme von der notwendigen Zugehörigkeit eines Arbeitszimmers zum Betriebsvermögen nach § 8 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) nur dann möglich ist, wenn der auf das Arbeitszimmer entfallende Wert nicht mehr als 20 % des Grundstückswerts einnimmt und nicht mehr als EUR 20.500 beträgt. Folgerichtig kann auch nur dann bei betrieblich genutzten Arbeitszimmern nur dann von der o.g. Rechtsprechung Gebrauch gemacht werden. In Anbetracht der aktuellen Immobilienpreise erscheint die Ausnahmeregelung des § 8 EStDV jedoch zunehmend leer zu laufen, sofern es sich nicht lediglich um eine kleine „Arbeitskammer“ handelt.

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Dr. Christian Mirbach

Diplom-Finanzwirt, Steuerberater, Master of Laws